Wie andere theologische Termini, ist das Wort "Gnade" belastet: Es wirkt angestaubt, altertümlich, genauso aus der Mode gekommen wie die Anrede "gnädige Frau". Dass von "Gnade" ein direkter Weg zur Sünde führt, macht sie nicht gerade populärer. Auf einen gnädigen Gott hoffen Schüler/innen längst nicht mehr, sondern allenfalls auf die Gnade ihrer Lehrkraft bei der Korrektur der Klassenarbeiten. Dass Gott barmherzig und gnädig ist, damit rechnen die meisten; alles andere wäre eine Überraschung. Umso dringlicher muss "Gnade" erschlossen und zum Sprechen gebracht werden, denn nichts Geringeres als einer der zentralen Begriffe der christlichen Theologie steht hier auf dem Spiel. "Gnade" spricht von Gott ebenso wie vom Menschen und ist darum zum einen eine relationale Kategorie, die die beiden Größen zueinander in Beziehung setzt, zum anderen eine personale, die nicht eine "Sache" im Blick hat, sondern eine Begegnung. Bei der Rede von der Gnade geht es tatsächlich um nichts Geringeres als ums Ganze, nämlich um die gelingende und heilvolle Beziehung zwischen Gott und Mensch.
Personen: Pemsel-Maier, Sabine
Zeitschrift Pemse
Pemsel-Maier, Sabine:
Gnade : zur Beziehung zwischen Gott und Mensch, 2014. - S.4-5
Einheitssacht.: Gnade
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